Führungsstile für ein neues Zeitalter der Organisationsstrukturen 

Von Robert Davison

Sehnsucht nach Neuem allein ist nicht genug. Es ist nur durch Beenden des Alten erreichbar.
Man kann nicht einerseits am Alten festhalten und andererseits verkünden, dass man sich etwas Neues wünscht.
Das Alte wird dem Neuen trotzen; das Alte wird das Neue verleugnen; das Alte wird das Neue anprangern.
Das Neue kann nur auf eine einzige Weise geschaffen werden. Man muss Platz dafür machen.

-Neale Donald Walsch-

Wir befinden uns am Beginn eines neuen Zeitalters

In Unterhaltungen zum Thema Arbeit stellt man immer wieder fest, dass unsere herkömmlichen Organisationsformen nicht mehr funktionieren. Die Leute haben die Klüngeleien satt, fühlen sich wie ein kleines Rädchen in einem riesigen Getriebe, fühlen sich eingeschränkt durch sinnlose Regeln und Vorschriften und sind der Meinung, dass sie ihre Talente nicht voll einsetzen können und keine sinnvolle Arbeit leisten. Wie beispielsweise hier www.globaltolerance.com/news.

Wir wissen auch, dass neue und viel zufriedenstellendere Organisationsformen möglich sind.
Wir befinden uns am Beginn eines neuen Zeitalters. Es zeichnen sich unterschiedliche Organisations- und Netzwerkstrukturen ab. Langsam aber stetig verändert sich unsere Gesellschaft. Die neuen Organisationen sind flacher, freier, innovativer und weniger eingeschränkt durch Vorschriften.
Hier zählen Fähigkeiten und nicht Rang oder Hierarchie. Menschlichkeit ist eingeplant. Werte sind wichtig. Solche Organisationen haben häufig einen Zweck, der über ihr eigenes Wachstum und ihren eigenen Profit hinausgeht.

Die meisten Menschen arbeiten jedoch immer noch in herkömmlichen, hierarchischen und bürokratischen Organisationen. Bei vielen dieser Unternehmen ist ein Wille zur Änderung erkenntlich, der jedoch auf Probleme bei der Umsetzung stößt. Für Führungskräfte, die solche Änderungen bewirken möchten, bedeutet dies eine große Herausforderung, die verwirrend, frustrierend und aufreibend sein kann.

Der vorliegende Artikel spricht folgende Fragen an: Welche Führungsstile können dieser gesellschaftlichen Veränderung auf dem Weg zu einem neuen Zeitalter der Organisationsstrukturen behilflich sein? Sind aktuelle Führungstheorien und Praxismodelle in den gegenwärtigen, vom Wandel geprägten Zeiten relevant, hilfreich und ausreichend? Gibt es eine angemessene Anzahl von Führungskräften, mit Kenntnissen und Fähigkeiten zur Schaffung innovativerer, gesünderer, menschlicherer und ethischerer Organisationen, die wir so dringend benötigen? Welche Unterstützung und welche Entwicklung könnten gegenwärtige und künftige Führungspersönlichkeiten darin bekräftigen, diesen Trend voranzutreiben?

Sehen wir uns zur Beantwortung dieser Fragen einige der Publikationen zum Thema Führungsstil an.

Postkonventioneller Führungsstil

Es ist ein sicheres Zeichen, dass sich ein neues Phänomen noch in der Entwicklungsphase befindet, wenn führende Autoren und Denker unabhängig voneinander dasselbe Konzept beschreiben, dabei jedoch unterschiedliche Ausdrucksweisen und Terminologie verwenden. Momentan geschieht dies im Bereich Führung, in dem wir anstelle der fest verankerten Vorstellungen von konventionellen, hierarchischen, „Macht-über“-Führungsstilen ein wachsendes Bewusstsein eines alternativen Stils beobachten können: „Gemeinsame Machtausübung“. Dieser alternative Führungsansatz der „gemeinsamen Machtausübung“ taucht in verschiedenen Variationen auf und wird unterschiedlich beschrieben. Im vorliegenden Artikel nenne ich diesen Ansatz postkonventionelle Führung.

Obwohl das Phänomen der postkonventionellen Führung in manchen akademischen Kreisen bekannt ist, fällt es schwer, dafür in der Praxis in vielen Organisationen Beispiele zu finden.
Meiner Meinung nach können postkonventionelle Führungsstile erst dann Fuß fassen, wenn es zu einem Umbruch kommt; bis dahin werden auch die meisten unserer weniger konventionellen Organisationen weiterhin von alten, „Macht-über“-Führungsansätzen beherrscht. Meiner Ansicht nach ist es außerdem aufgrund unserer tief verwurzelten Erwartung, dass Führung durch eine Person erfolgt, die Macht über uns hat, für uns besonders schwierig, Unternehmenskulturen neuer Prägung bzw. mit weniger/keiner Hierarchie zu schaffen und zu erhalten. Ich bin zudem der Meinung, dass die Prävalenz konventioneller “Macht-über“-Führungsstile Schuld daran ist, dass, trotz großer Anstrengungen einiger Weniger das Gegenteil zu erreichen, die Mitarbeiterbeteiligung weltweit immer noch sehr gering ist. Frei nach Peter Drucker: „Ein konventioneller Führungsstil frisst Unternehmenskulturen neuer Prägung zum Frühstück“.

Wer sind also diese führenden Autoren und Denker und was ist ihre Botschaft?

David Rooke und Bill Torbert

David Rooke und Bill Torbert1 fassen in ihrem Artikel im Harvard Business Review die jahrelange Arbeit Torberts mit einer Beschreibung von sieben Entwicklungsstufen der Führung zusammen. (Die Konzepte der konventionellen und postkonventionellen Führung habe ich von Bill Torbert übernommen). Sie beschreiben vier konventionelle Führungsstile: Opportunist, Diplomat, Experte und Macher sowie drei postkonventionelle Führungsstile: Individualist, Stratege und Alchimist. Die konventionellen Führungsstile werden durch Vorgehensweisen, wie beispielsweise impulsives Entscheiden, das Passende sagen, Anwenden erlernter Fertigkeiten, Zielsetzung und -erreichung, Messung und Korrektur sowie erfolgreich sein veranschaulicht.

Die postkonventionellen Stile unterscheiden sich qualitativ davon, indem sie beispielsweise Selbsterkenntnis und rücksichtsvollen oder sogar paradoxen Eingriffen Gewicht verleihen, die Bedingungen schaffen, unter denen die gesamte Organisation an der gemeinsamen Gestaltung bzw. Umgestaltung ihrer selbst beteiligt wird. Dabei leitet die postkonventionelle Führungskraft mehr von hinten bzw. innen als von vorn. Die Untersuchungen von Rooke und Torbert ergeben bezeichnenderweise, dass zum Zeitpunkt der Abfassung ihrer Studie (2005) 85 % der untersuchten Personen Vorgehensweisen konventioneller Führungsstile einsetzten (einschließlich Experte [38 %], Macher [30 %]) und nur 15 % postkonventionelle Führungsstile an den Tag legten (Individualist 10 %, Stratege 4 % und Alchimist 1 %). Rooke und Torbert sind der Ansicht, dass unsere Wirtschaftshochschulen gute Arbeit bei der Entwicklung konventioneller Manager und Führungskräften leisten, aber schlecht abschneiden, wenn es darum geht, Führungskräfte darüber hinaus weiterzuentwickeln. Anders ausgedrückt ist es noch ein langer Weg zur Entwicklung von Konzepten, die Führungskräfte dazu befähigen, innovative, weniger konventionelle, leistungsstarke Unternehmenskulturen zu schaffen bzw. in einer solchen Umgebung erfolgreich zu sein.

Margarete van den Brink

Mit einem anderen, jedoch parallelem Ansatz beschreibt Margarete van den Brink2 in ihrem Buch „Transforming Organisations“ ihr Modell sieben miteinander verknüpfter Entwicklungsphasen bei Individuen, Gruppen und Organisationen. Im Folgenden beziehe ich mich lediglich auf die drei mittleren Phasen der persönlichen Entwicklung. Als Erwachsener, in Phase 3, der Ich-Phase, wächst die Selbstständigkeit.

In dieser Phase hat man das Gefühl, dass man auf eigenen Füßen stehen und ohne andere auskommen kann. Zumindest denkt man das! Dies kann die Grundlage für einen soliden, konventionellen Führungsstil sein. In Phase 4, die van den Brink als Wendepunkt bezeichnet, erfahren Individuen oft eine Krise, sei es in einer Beziehung oder bei der Arbeit, wenn altbewährte Lösungen und Perspektiven auf einmal nicht mehr zu funktionieren scheinen. Die Unterstützung anderer, die sich in ähnlichen Situationen befinden und sich dieselben Fragen stellen, erweist sich häufig als unerwartet tröstend und notwendig. Plötzlich treffen die Energie des Alleingangs und der Glaube an Selbstständigkeit auf eine neue Realität: die Realität der hilfreichen Abhängigkeit von anderen.

In diesem Moment wird man überwältigend mit der vor allem empirisch gewonnenen Erkenntnis konfrontiert, dass gegenseitige Abhängigkeit ein grundlegender Baustein des Lebens an sich ist. Früher oder später erteilt das Leben uns allen diese Lektionen in Demut! In Phase 4, in der sich neue Perspektiven eröffnen, erklärt van den Brink, „geschieht es häufiger, dass man, um die Lebensmission zu erfüllen, seine Qualitäten und Kapazitäten zum Wohl anderer und dem der Gemeinschaft zur Verfügung stellt“. (So beginnt häufig eine postkonventionelle Orientierung.)

„Auf diese Weise“, erklärt sie, „wandelt man sich langsam von einer Ich-Person, ‚einem Nehmer', zu einem Geber“ (S. 41/42). Dieser Wandel, der sich in Phase 5 und darüber hinaus weiter vollzieht, „bewirkt, dass man sich mit einer zunehmenden Anzahl von Menschen, Gruppen und größeren Einheiten engagieren und zu ihrer Entwicklung beitragen kann“ (S. 42). Van den Brink impliziert, dass der postkonventionelle Führungsstil häufiger bei Menschen auftritt, die bereits gewisse Lebenskrisen bzw. -phasen durchgemacht haben, und weniger bei denjenigen, die sich noch in den wichtigen, und notwendigerweise vorwärtsdrängenden zweiten und dritten Lebensjahrzehnten befinden.

Margaret Wheatley

Margaret Wheatley3, die hoch angesehene Autorin und Führungsberaterin benutzt im Zusammenhang mit konventionellem Führungsstil die Metapher des „Helden“. Ihrer Meinung nach ist die sich hartnäckig haltende Vorstellung einer Führungskraft als „Held“, der Kontrolle ausübt und alle Antworten kennt, vollkommen ungeeignet für die komplexe und vernetzte moderne Welt. Ein derartiger Führungsstil endet auch mit den besten Absichten meist mit Burn-out und tragischem Scheitern. Abhilfe erfolgt häufig durch die Suche nach einem weiteren Helden, der sich bereit erklärt, die Leitung zu übernehmen.

Und dann nach dem nächsten! Wheatley impliziert, dass wir akzeptieren müssen, dass Organisationen heutzutage nicht kontrolliert werden können (zumindest nicht von einer Person) und dass von Führungskräften nicht erwartet werden kann, dass sie über genug Weisheit, Wissen bzw. Informationen verfügen, um alle Entscheidungen selbst treffen zu können. Sie schlägt eine Umwandlung der „Helden“ in „Gastgeber“ vor. Gastgeber ignorieren Organigramme, interessieren sich dafür, wer sich in ihrer Organisation befindet und wer die bei anderen entdeckten Fähigkeiten und Einsichten nutzbringend anwendet. Gastgeber wissen, dass Individuen Pläne, an deren Entstehung sie teilhatten, gerne unterstützen.

Sie sagt provozierend: „Es wird Zeit, dass all die Helden nach Hause gehen, wie es der Dichter William Stafford schrieb. Es wird Zeit, dass wir die Hoffnungen und Erwartungen aufgeben, die nur Abhängigkeit und Passivität zur Folge haben und die für die Probleme, mit denen wir konfrontiert werden, keine Lösungen anbieten. Es wird Zeit, dass wir aufhören, auf einen Retter zu warten. Es wird Zeit, dass wir uns mit der Realität unserer Situation auseinandersetzen – dass wir alle im gleichen Boot sitzen, dass wir alle mit einer Stimme sprechen und herausfinden (können), wie wir Herzen und Verstand aller an unseren Arbeitsplätzen und in unserer Umgebung mobilisieren können.“

Deborah Ancona

Deborah Ancona et al.4 wiederholen in „In Praise of the Incomplete Leader”, im Harvard Business Review, Wheatleys Position, dass konventionelle Heldentypen als Führungskräfte passé sind. Sie erläutern ihre eigene Vorstellung eines postkonventionellen Führungsmodells folgendermaßen, „Es wird Zeit, mit dem Märchen von der ‚kompletten Führungskraft' aufzuräumen: der makellosen Person an der Spitze, die alles versteht. Je schneller Führungskräfte aufhören, für alles zuständig sein zu wollen, desto besser ist dies für ihre Organisationen.

In der modernen Welt ist es nicht länger Aufgabe der Leitung zu befehlen und zu kontrollieren, sondern das Handeln anderer auf allen Ebenen der Organisation zu fördern und zu koordinieren. Erst wenn Führungskräfte verstehen, dass sie selbst ‚unvollständig' sind, d. h. über Stärken und Schwächen verfügen, können sie die Fähigkeiten, die ihnen selbst fehlen, wettmachen, indem sie sich auf andere verlassen.“ Sie beschreiben ihr eigenes Modell der verteilten Führung mit vier Schlüsselfähigkeiten: Sinn stiften (die Rahmenbedingungen verstehen, unter denen ein Unternehmen und seine Mitarbeiter operieren), Bezüge schaffen (Beziehungen innerhalb von Organisationen und organisationsübergreifend aufbauen), Visionieren (ein überzeugendes Zukunftsbild schaffen) und Erfinden (neue Methoden entwickeln, um die Vision zu verwirklichen).

Simon Western

Simon Western5, ehemals Director of Coaching an der Lancaster University (GB), identifiziert in seinem Buch „Leadership a Critical Text“ drei relativ junge Führungsphasen, die er als „Diskurse“ bezeichnet: Führungskraft als Controller (traditionell hierarchisch, „Macht-über“, typisch in der verarbeitenden Industrie), Führungskraft als Therapeut (alle humanistischen und psychologischen Ansätze) und Führungskraft als Messias (ähnlich dem Helden von Wheatley, aber möglicherweise noch extremer). Sie können grob den konventionellen Führungspraktiken zugeordnet werden.

Er spricht dann von der Entstehung einer neuen Art der Führung (postkonventionell), die er „Eco Leadership“ nennt. Er beschreibt sie folgendermaßen: „Der Öko-Führungsdiskurs schafft ein neues Paradigma der Führung. Öko-Führung erkennt, dass eine Organisation aus voneinander abhängigen Teilen besteht; dies gilt auch für alle Stakeholder-Beziehungen und zieht immer größere Kreise, bis hin zu der Luft, die wir einatmen. Es geht um Konnektivität, gegenseitige Abhängigkeit und Nachhaltigkeit, unterstützt durch eine ethische und sozialverträgliche Haltung“ (Western, 2007).

Es sollte außerdem darauf hingewiesen werden, dass Western die ersten drei Führungsdiskurse nicht vollkommen ablehnt, sondern zeigt, wie sie in die Perspektive der Öko-Führung eingebracht werden können.

Otto Scharmer und Katrin Käufer

Interessanterweise warnen Otto Scharmer und Katrin Käufer6 in ihrem 2013 verfassten Buch, „Leading from an Emerging Future“ (2014 auf Deutsch erschienen unter dem Titel „Von der Zukunft her führen“7), davor, dass wir in einem Zeitalter zerstörerischen Wandels leben, einen Prozess von Tod und Wiedergeburt erleben. Eine alte, sterbende Zivilisation mit einer Denkweise der „Ego“-Maximierung (maximaler materieller Konsum, „größer ist besser“ usw.) macht einer neuen Welt Platz, in der die gegenseitige Abhängigkeit aller auf unserem Planeten auf vielen Ebenen erkannt wird.

Ohne Bezugnahme auf Simon Western sprechen sie vom Übergang von einem Egosystem-Bewusstsein (unsere engstirnigen, auf uns selbst konzentrierten Belange) zu einem Ökosystem-Bewusstsein (der weiter gesteckte, facettenreiche und vernetzte Rahmen, in dem wir existieren); bzw. von Ego-Führung zu Öko-Führung. Sie heben hervor, wie wichtig Konversationen bei der Schaffung einer Organisationkultur sowie zwischenmenschlicher Beziehungen in einer Organisation sind. Konversationen, die aus einem Ego-Bewusstsein heraus geführt werden, sind vorwiegend unilateral und linear, kaum inklusiv und transparent, und sollen dem Wohl einiger weniger dienen.

Im Gegensatz dazu beschreiben sie auf einem Öko-Bewusstsein beruhende Konversationen als typischerweise multilateral und zyklisch, äußerst inklusiv und transparent und zum Wohle aller. Ihr Ökosystem-Führungsstil ist demnach ähnlich der Definition von Western und beschreibt einen Führungsansatz, der sich besser für neue Organisationsformen eignet, als ein konventioneller Egosystem-Führungsstil.

Frederic Laloux

Frederic Laloux8 schließlich baut in seinem 2014 verfassten Buch „Reinventing Organisations“ auf die integrale Theorie von Ken Wilber auf, sieht die Entwicklung von Organisationen und Führungskräften vor dem Hintergrund der letzten 100.000 Jahre und zeigt, dass wir uns an der Schwelle einer neuen Phase in Bezug auf Organisationen befinden. Vom Führungsstandpunkt gesehen „bedeuten [die neuen Organisationsformen] eine Zähmung unseres Ego und die Suche nach einer authentischeren, vollwertigeren Existenz“ (S. 6).

Laloux stellt fest, dass „die Arbeitsprinzipien [in diesen neuen Organisationen] zutiefst gegen den Strich allgemein akzeptierter Managementkonzepte gehen. Dem Gründer/CEO kommt deshalb eine entscheidende Rolle zu: Er muss „den Raum halten“ für... [diese neuen] … Strukturen und Praktiken. Jedes Mal, wenn es ein Problem gibt, verlangt jemand nach erprobten und bewährten Lösungen: Wir sollten eine Regel, ein Kontrollsystem einführen; wir sollten das Problem einer zentralen Abteilung zuordnen, am besten schaffen wir eine weitere Überwachungsebene; Prozesse sollten genauer vorgeschrieben sein; wir sollten in Zukunft die Entscheidungen auf höherer Ebene treffen.

Diese Forderungen kommen aus den unterschiedlichsten Ecken ….. Immer wieder muss der CEO gewährleisten, dass sich das Vertrauen auf andere durchsetzt und dass sich traditionelle Managementpraktiken nicht wieder durch die Hintertür einschleichen“ (S. 240/241).

Neue Organisationsformen

Die oben genannten Autoren und viele andere weisen auf das Potenzial für eine neue und aufgeklärte Welt postkonventioneller Führung und neuer Organisationsformen hin. Diese unterschiedlich beschriebenen Führungsstile nehmen in der Praxis langsam Gestalt an. Es ist jedoch ausreichend dokumentiert, dass viele (wenn auch nicht alle) Versuche, Unternehmenskulturen zu ändern bzw. verstärktes Engagement zu fördern, scheitern. Einige der Organisationen mit neueren Führungsstrukturen florieren, aber kehren schnell zu konventioneller Führung und herkömmlichen Managementpraktiken zurück, wenn sich die Wirtschaftslage verschlechtert bzw. nach einer Übernahme. Als ob Jahrtausende der menschlichen Entwicklungsgeschichte hierarchisches Denken fest in uns verankert haben.

Fallen für die postkonventionelle Führungskraft

Führen mit einer postkonventionellen Mentalität ist nicht einfach. Ich persönlich, der ich philosophisch und politisch zutiefst überzeugt von postkonventionellen Führungspraktiken bin, musste am eigenen Leib erfahren (im Nachhinein und nach schmerzhafter Selbstreflexion), wie einfach es war, als Co-Leiter eines Unternehmens in der Krise das starke und unvertraute Bedürfnis zu haben, das Unkontrollierbare zu kontrollieren und das Unbeherrschbare zu beherrschen, und zwar auf besorgniserregend konventionelle „Macht-über“-Weise.

Damals konnte ich all das nicht erkennen. Im Nachhinein sehe ich, dass sich mein Verhalten zum Teil auf einer wenig hilfreichen Tendenz begründete, mich stärker als angemessen persönlich für das Überleben des Unternehmens verantwortlich zu fühlen. Auf jeden Fall setzte ich mich unter widrigen Bedingungen ganz unbewusst über einige meiner Grundwerte hinweg.

Und es gibt noch viele andere Fallen, in die eine postkonventionelle Führungskraft geraten kann. Beispielsweise Führungskräfte, die ein unbefriedigtes Bedürfnis nach Macht, Status oder Kontrolle haben; oder Führungskräfte, die noch dabei sind, ihre Fähigkeiten und ihren Wert zu entwickeln und zu beweisen, entweder sich selbst oder der Welt. Beiden wird es schwer fallen, bestimmte Aspekte eines postkonventionellen Führungsstils zu verkörpern.

Die besten Führungskräfte, die ich in innovativen, flachstrukturierten und leistungsstarken Unternehmenskulturen kennengelernt und in Aktion gesehen habe, waren erstaunlich frei von diesen Ego-Touren und gleichzeitig bereit und fähig eine Umgebung zu schaffen, in der andere gedeihen und wachsen konnten. Für uns Normalsterbliche ist das nicht immer so einfach, wie es aussieht!

An der Schwelle einer neuen Ära der Organisationsformen

Unter Berücksichtigung der Gesamtlage – wenn wir uns tatsächlich in Bezug auf Organisationsformen an der Schwelle einer neuen Ära befinden, wenn wir die Dynamik aufrechterhalten und stärken müssen und wenn wir einen Umbruch erreichen wollen – ist es eine der wichtigen Aufgaben unserer Zeit, diese fortschrittlichen, menschlichen Fähigkeiten und Qualitäten unserer aktuellen und künftigen Führungskräfte zu entwickeln und zu fördern.

Bei der Ausbildung und Förderung von Führungskräften liegt der Schwerpunkt, von einigen Ausnahmen abgesehen, insgesamt hauptsächlich auf konventionellen Führungstechniken, und man könnte behaupten, dass sie größtenteils immer noch hinter dem hinterherhinken, was für die Führungskräfte künftiger Organisationen erforderlich ist.

Die zentrale Frage

Meiner Ansicht nach muss deshalb eine zentrale Frage dringend beantwortet werden:

„Welche Merkmale kennzeichnen die bestmögliche Ausbildung und Entwicklung postkonventioneller Führungskräfte und durch welche Kanäle sollten sie entwickelt und angeboten werden?“

Robert Davison

Juni 2015

Literaturnachweis

  1. David Rooke, William R. Torbert, Seven Transformations of Leadership, Harvard Business Review, April 2005
    URL: https://hbr.org/2005/04/seven-transformations-of-leadership/ar/1
  2. Margarete van den Brink, Transforming People and Organisations: The Seven Steps of Spiritual Development. Temple Lodge 2004
    Vgl. auch: Stages of the human evolution in www.margaretevandenbrink.nl
  3. Margaret
Wheatley, mit 
Debbie
Frieze, Leadership
in
the
Age
of
Complexity: From
Hero
to
Host © 2010 veröffentlicht in Resurgence
Magazine,
Winter
2011
    URL: http://margaretwheatley.com/wp-content/uploads/2014/12/Leadership-in-Age-of-Complexity.pdf
  4. Deborah Ancona, Thomas W. Malone, Wanda J. Orlikowski und Peter M. Senge, In Praise of the Incomplete Leader, Harvard Business Review, Februar 2007.
    URL: www.lifechallengeprogram.org/praise.pdf
  5. Simon Western, Leadership: a Critical Text, 2. Aufl., Sage 2013
    Vgl. auch www.simonwestern.com/pdf/leadershipacriticaltext.pdf
  6. Otto Scharmer und Katrin Käufer, Leading from an Emerging Future – from Ego-System to Eco-System Economies, Berrett-Koehler 2013
    Vgl. auch www.presencing.com/ego-to-eco/overview
  7. Otto Scharmer und Katrin Käufer, Von der Zukunft her führen - Von der Egosystem- zur Ökosystem-Wirtschaft. Theorie U in der Praxis, Carl-Auer, Heidelberg 2014
    Vgl. auch www.carl-auer.de/programm/artikel/titel/von-der-zukunft-her-fuehren
  8. Frederic Laloux, Reinventing Organisations – A Guide to Creating Organisations Inspired by the Next Stage of Human Consciousness Nelson Parker , 2014
    Vgl. auch: http://youtu.be/j79QIs9e-nU

Eine frühere Fassung dieses Artikels wurde auf einer Konferenz zum Thema Leistungsstarke Unternehmenskulturen, 21-23 Juni 2015, auf Gut Ising am Chiemsee vorgestellt.

Sponsor der Konferenz war The Center for Innovative Cultures www.innovativecultures.org

Robert Davison hat 30 Jahre Erfahrung in der Organisations- und Führungskräfteentwicklung.

Er ist zu erreichen unter:

 

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