Die soziale Welt ist die moderne Mysterienstätte 

Harrie Salman

Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts offenbart sich die geistige Welt zunehmend im Alltag. Gleichzeitig verändert sich unsere innere Verfassung. Darum konfrontiert das moderne soziale Leben uns oft mit Situationen, die sich früher auf sorgfältig geschützten inneren Wegen abspielten und zu einer Einweihung führten. Damit eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit geistigen Wesen, wie ich sie in meinem Buch Die soziale Welt als Mysterienstätte - Die soziale Vision der Anthroposophie, das 2020 in einer aktualisierten und erweiterten Auflage erschienen ist, beschrieben habe.[1]

Rudolf Steiner sprach nach dem Ersten Weltkrieg oft vom unbewussten Überschreiten der Schwelle zur geistigen Welt durch die Menschheit, wie zum Beispiel am 11. April 1919.[2] Dies ist ein Teil der Epoche der selbstbewussten Seele, der Bewusstseinsseele, die am Ende des Mittelalters begann. Dieser Übergang findet statt, seit der Erzengel Michael die Sphäre, die die Erde umgibt, von den sogenannten "Geistern der Finsternis" gereinigt hat (1841-1879). Das sind gefallene Engel, die uns auf unserem Weg zu unserem höheren Wesen behindern. Indem er sie auf die Erde und in die menschlichen Seelen warf, öffnete er die Verbindung zwischen der sinnlichen und der übersinnlichen Welt.

Außerdem begann sich laut Steiner unsere Konstitution zu verändern, was er mit dem Ende einer 5000-jährigen Periode geistiger Dunkelheit in 1899 in Verbindung brachte. Diese Periode ist in der indischen Tradition als Kali Yuga (Zeitalter der Finsternis) bekannt. Unser Lebensleib, oder Ätherleib, lockert sich allmählich vom physischen Körper, so dass wir neue Fähigkeiten zur Wahrnehmung der geistigen Welt entwickeln können. Aus diesem Grund wird die Schwelle zur geistigen Welt durchsichtiger. Immer mehr Kinder werden mit hellseherischen Wahrnehmungen geboren, und viele Menschen entwickeln solche Fähigkeiten im Laufe ihres Lebens auf natürliche Weise.

Das Überschreiten der Schwelle hat bedeutende Konsequenzen, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch nicht so spürbar waren. Die drei natürlich verbundenen Seelenkräfte des Denkens, Fühlens und Wollens begannen sich zu trennen. Es kann verwirrend sein, das Auseinanderfallen unserer Seelenkräfte zu erleben, weil widersprüchliche Gedanken, Gefühle und Impulse entstehen können. Der moderne Mensch muss diese Kräfte wieder in den Griff bekommen und bewusst Harmonie herstellen.

Viele Menschen erleben, wie unbekannte Kräfte ins Bewusstsein drängen. Plötzlich sieht jemand ein Wesen, das von anderen nicht wahrgenommen wird. Manchmal geschieht dies bei Kindern, die dies erleben können als einen Naturgeist, als ein engelhaftes Wesen oder als ein Wesen mit bösen Zügen. Jemand gerät in einen unerklärlichen, gewalttätigen Zustand oder wird panisch. Andere nehmen Aspekte von sich wahr, die sie nicht wahrhaben wollen. Und wieder andere nehmen dämonische Kräfte wahr und können davon so besessen werden, dass wir es in ihren Gesichtern lesen können.

Dabei handelt es sich um unbewusste Seelenkräfte oder Kräfte aus der Außenwelt, die bisher nicht ins Bewusstsein gelangten und uns nun von jenseits der Schwelle der geistigen Welt erreichen. Menschen reagieren unterschiedlich mit Ängsten, Nervosität, Depressionen und Flucht in Drogen, blinder Aggression oder undefinierten Gefühlen von Unbehagen oder Unruhe. Manchmal treten Neurosen, Psychosen oder andere behandlungsbedürftige Zustände auf. Indem sie ihr Seelenleben bewusst mit den Kräften ihres höheren Selbst ordnen und stärken, können sich viele selbst helfen. Am 30. Mai 1907 sprach Steiner von schweren Nervenkrankheiten und Epidemien des Wahnsinns, die ganze Völker als karmische Folge des Materialismus befallen.[3] Nur geistige Impulse können uns bewusst über die Schwelle führen und heilend wirken, wie z.B. bei Epidemien des Nationalismus und des religiösen Fundamentalismus.

Die Offenbarung von Gut und Böse

Die Türen zu den Welten des Lichts und der Dunkelheit wurden im 20. Jahrhundert geöffnet. Dunkle Kräfte ergreifen von den Menschen Besitz, wie wir an den gewaltsamen Kriegen und den Terrorakten des 20. Jahrhunderts beobachten können. Gerade die moderne Kultur schenkt den dunklen Kräften aus der Unterwelt unseres Unterbewusstseins viel Aufmerksamkeit. Sie dringen über die Medien in unsere Seele ein und können Menschenmassen manipulieren, die sich im Halbschlaf befinden. Moderne Kunst und Musik zum Beispiel geben ein aufschlussreiches Bild von den Kräften der kollektiven Unterwelt, des kollektiven Unterbewusstseins der Menschheit. In der modernen Politik regiert die Lüge offen, so dass dies nun für jeden sichtbar ist.

Auch die guten Kräfte offenbaren sich. Im Gegensatz zu den dunklen Kräften, die sich nicht so leicht fortjagen lassen, wenn sie in ein Individuum oder eine Gruppe eindringen, respektieren die guten unsere Freiheit. Wenn wir sie nicht zum Bewusstsein bringen, verschwinden sie wieder unbemerkt. Ab 1910 sprach Steiner von der Wiederkunft des Christus. Er erzählte, wie der Christus in der Sphäre der Lebenskräfte der Erde (der ätherischen Sphäre) erscheinen würde, um 1933 zunächst nur von wenigen erlebt zu werden, aber in den nächsten 2500 Jahren von immer mehr Menschen.

Am 1. Oktober 1911 beschrieb Steiner, wie dies geschehen könnte.[4] Er sagt, dass Christus kommen wird, um Menschen zu helfen, zu trösten und zu beraten, die mit ihren Kräften am Ende sind, und solche, die in tiefer Anteilnahme mit dem Leiden anderer stehen. Er kommt auch zu Menschen, die in tiefer Verbundenheit mit anderen nach Antworten auf Probleme suchen. Wir können plötzlich Seine Gegenwart erleben oder sogar jemanden sprechen sehen und der dann ebenso plötzlich verschwindet. Das Erkennen des Augenblicks ist wichtig.

Der Aufstieg des Nationalsozialismus 1933 verdunkelte die ätherische Sphäre Christi, aber trotzdem haben viele Menschen in aller Welt seitdem durch Ihn Hilfe, Trost und Heilung in existenziellen Situationen ihres Lebens erfahren. Unsere veränderte Konstitution ermöglicht es uns, neue hellseherische Fähigkeiten zu entwickeln, mit denen wir ein Organ bilden können, um Ihn und Sein Wirken in der ätherischen Sphäre wahrzunehmen. Es ist Christus selbst, so Steiner, der unsere Konstitution verändert und uns hellsichtig macht, damit wir Ihn wahrnehmen können. Auch Übungen und die Stärkung des Bewusstseins können dabei hilfreich sein. Die Nahtoderfahrungen stellen einen weiteren Aspekt der Wiederkunft dar. Auch das Erleben von Christus im Jahreskreislauf entwickelt unsere Wahrnehmungsfähigkeit. Wir verbinden uns dann mit den Vorgängen der Natur in den Jahreszeiten und erleben die Feste des Jahres viel bewusster.

Während sich die geistige Welt allmählich öffnet, wird die soziale Welt zur Bühne neuer geistiger Erfahrungen. Früher fanden diese auf einem Einweihungsweg statt, und erst jetzt finden sie im vollen Leben statt. Im alltäglichen Leben können uns die Erfahrungen begegnen, die Rudolf Steiner in Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten? beschreibt. Menschen können eine Spaltung ihrer Persönlichkeit erleben, wenn sich Denken, Fühlen und Wollen trennen. Diese Erfahrungen werden im modernen Leben immer realer. Es ist wichtig, dass wir sie bewusst erleben und aus ihnen lernen. Vor allem müssen wir lernen, unsere Seelenstärke entwickeln. Andere können uns dabei helfen. Es ist sehr wichtig, dass wir klare Urteile fällen und verstehen, was mit uns vorgeht. Dann beginnen wir, den Alltag als ein Mysteriendrama zu verstehen, in dem Menschen gemeinsam durch die spirituelle Entwicklung gehen.

Mysterien in der Vergangenheit und in der Gegenwart

In einem Interview mit dem deutschen Wochenmagazin Der Spiegel sagte der deutsche Künstler Joseph Beuys 1984: "Die Mysterien finden auf dem Hauptbahnhof statt, nicht im Goetheanum." Was sind Mysterien? Wir können sie als Formen der Kommunikation mit geistigen Wesenheiten bezeichnen, die früher in allen Kulturen möglich waren und sich im Laufe der Zeit durch den Bewusstseinswandel der Menschen verändert haben. In bestimmten Kulturen werden immer noch bewusstseinserweiternde Mittel, wie Ayahuasca, verwendet, um solche Wesen zu erfahren.

Vor der Ära des Kali Yuga waren die Mysterientempel Zentren der Kultur, in denen die Menschen einen inneren Weg beschritten, der zu einer Einweihung (der Öffnung der Organe der geistigen Wahrnehmung) führte. Religion, Kunst und Wissenschaft bildeten eine Einheit und wurden von Priestern gepflegt, die aufgrund ihrer Einweihung mit der Welt der göttlichen Wesen kommunizieren konnten. Beispiele für solche Mysterienstätten waren die Tempelanlagen von Heliopolis und Karnak in Ägypten, Eleusis und Samothrake in Griechenland, Ephesus in Kleinasien und die Externsteine in Deutschland.

Vor etwa 5000 Jahren, zu Beginn des Kali Yuga, gingen die Verbindungen mit der geistigen Welt allmählich verloren, bis sie in den Jahrhunderten vor Christi Geburt fast überall verschwunden waren. In Europa finden wir die letzten Mysterienschulen in Irland. Keltische Missionare brachten diese sogenannten hybernischen Mysterien auf das europäische Festland, wo sie sich mit den Gralsmysterien verbanden und bis ins 9. Jahrhundert funktionierten. Im Zeitalter des Erzengels Michael, das nach Rudolf Steiner 1879 begann, können wir Religion, Kunst und Wissenschaft wieder in einer neuen geistigen Kultur vereinen. In diesem Zeitalter, das etwa 350 Jahre dauern wird, können wir wieder Zugang zur geistigen Welt finden, nun aber auf der Grundlage einer neuen selbstbewussten Beziehung zur Welt des Geistes. Dies kann in den neuen Mysterien geschehen, die Rudolf Steiner der Menschheit eröffnet hat.

In den alten Mysterien wurde die Schwelle zur geistigen Welt unbewusst überschritten. Wenn wir lernen, dieses Überschreiten bewusst zu machen, können wir ganz neue Erfahrungsbereiche im inneren und sozialen Leben entdecken. Die bereits erwähnten "Geister der Finsternis" sind in der menschlichen Seele und in der Gesellschaft aktiv geworden. Die neuen Wissenschaften der Massenpsychologie und des Marketings gehören zu ihren Betätigungsfeldern. Sie zeigen, wie Menschen manipuliert und für die Eingebungen dieser dunklen Geister empfänglich gemacht werden können. Diese Inspirationen kommen aus der Mysterienschule von Ahriman, dem Anführer der dunklen Geister, die sich gegen Christus stellen. In den Mysterien Christi können wir zu größerer Selbsterkenntnis gelangen, indem wir bewusst die Schwelle der geistigen Welt überschreiten, einzeln oder miteinander in Begegnungen und bewussten Formen der Zusammenarbeit. Durch die Vertiefung dieser Zusammenarbeit auf sozialer und spiritueller Ebene können Mysterienstätten entstehen, in denen wir uns von geistigen Wesen inspirieren lassen können, die unsere Entwicklung unterstützen wollen. Neue Erkenntnisse entstehen dort, wo Menschen ihre Teilerkenntnisse in inspirierten Gesprächen miteinander verbinden können. Daraus kann eine neue geistige Kultur entstehen.

Neue Mysterien

Während in den alten Mysterien, in denen die Einweihungen in einem unbewussten Zustand stattfanden, jeder einen individuellen Weg ging, erfordern die modernen Einweihungen unser erwachtes Ich-Bewusstsein. In unserer Zeit kann eine Einweihung zu einer Zusammenarbeit mit geistigen Wesen führen. Dies wurde im alten Israel, in der Tradition des Heiligen Grals, von den Katharern, den Tempelrittern und der Bruderschaft der Rosenkreuzer im späten Mittelalter vorbereitet. Die neuen Mysterien konzentrieren sich nicht auf die Übertragung von Weisheit aus der geistigen Welt, wie in der Vergangenheit, sondern auf den Einsatz des Willens, auf die Initiativkraft von Individuen, die sich miteinander verbinden, um gemeinsame Ziele zu verwirklichen.

Die neuen Mysterien haben einen individuellen und einen sozialen Aspekt. Menschen, die ein höheres Bewusstsein entwickelt haben, wie z. B. Rudolf Steiner u. a., können auf bewusste Weise (jeder auf seiner Ebene) mit geistigen Wesen kommunizieren. Sie können uns Imaginationen (Bilder), Inspirationen und Intuitionen (Einsichten) geben. Darüber hinaus ist es möglich, in einer Gruppe so zusammenzuarbeiten, dass sich das Bewusstsein erhöht und die Mitglieder der Gruppe Imaginationen, Inspirationen und Einsichten von diesen Wesen empfangen können. Dies ist ein Weg für die Zukunft, der in Forschungsgruppen entwickelt wird. In kleinen Gruppen haben Menschen bereits Erfahrungen damit gemacht.

Steiner wollte in der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft in Dornach eine moderne Mysterienschule schaffen. Er gründete neue Mysterien, in denen das Prinzip der Einweihung wieder zu einer wirksamen Kraft in allen Bereichen des menschlichen Lebens werden sollte. Der Einweihungsweg, den er in seinem Buch Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten? beschrieb, behält seine grundlegende Bedeutung als individueller Weg. Viele Menschen haben auf natürliche Weise oder durch Übungen hellseherische Fähigkeiten entwickelt, aber erst nach einer Einweihung kann man geistige Forschungen betreiben und mit geistigen Wesenheiten auf persönliche Weise zusammenarbeiten, wie es Steiner tat. Wir können dann als Einzelne in vollem Bewusstsein die Schwelle zur geistigen Welt überschreiten.

In unserem individuellen Leben müssen wir uns mit unserem sogenannten „Doppelgänger“ auseinandersetzen. Das sind Wesen, die wir selbst in unserem physischen, ätherischen und astralen Körper in früheren Leben gebildet oder in diesem Leben angezogen haben. Sie ernähren sich von der negativen Substanz der Handlungen, Gewohnheiten, Emotionen, Gefühle und Gedanken, die wir nicht mit unserem Bewusstsein kontrollieren. Um ständig neue Nahrung zu erhalten, können sie aus unserem Unterbewusstsein heraus unser Verhalten beeinflussen, wie man es bei einem Alkoholiker beobachten kann oder bei jemandem, der sich ständig wegen Kleinigkeiten ärgert. Nur wenn wir unser Verhalten bewusst steuern, verlieren diese Doppelgänger ihren Einfluss auf uns. C.G. Jung beschrieb sie psychologisch als "Schatten". In all unseren sozialen Gruppen schaffen wir meist unbewusst ein ätherisches Feld und ein astrales Feld, in dem sogenannte "Gruppendoppelgänger" tätig sind.

Durch einen bewussten Umgang miteinander und ein positives Miteinander schafft eine Gruppe ein energetisches Feld, eine ätherische Form, in die gute geistige Wesen (auch Verstorbene) herabsteigen können und, wenn die Gruppe dafür offen ist, inspirierend wirken können. Gruppen, die schon längere Zeit bestehen, ziehen Gruppenengel und andere inspirierende Wesen an. In der Tat ziehen Gruppen und Organisationen immer Wesen an. Dies ist oft wenig bewusst. Die ätherische Form, die Menschen in ihren Gruppen aufbauen, kann zu einem Tempel oder zu einer Stätte für Dämonen werden. Es hängt von den Absichten der Menschen ab, welche Art von Wesen sich in ihr manifestieren können.

Erfahrungen von Gruppen

Steiner wies darauf hin, dass die Menschen seit Beginn des 20. Jahrhunderts ein elementares Bedürfnis haben, am Geistig-Seelischen der anderen zu erwachen. Er meinte damit, dass wir im Erleben der Seele und des Geistes der anderen erwachen können. Es sei ein zunehmendes Bedürfnis, im tiefsten Inneren des anderen zu einem höheren Bewusstsein, zu einem erhöhten Wachbewusstsein, zu erwachen, sagte er. Die Menschen müssen sich darum näher mit einander verbinden. Sie müssen fähig werden, das höhere Wesen im anderen Menschen zu erwecken, indem sie zum Beispiel wesentliche Fragen stellen. Steiner sagte, dass dies für wesentlich sei. Wenn die Menschen nicht in der Lage sind, im Anderen ein höheres Bewusstsein zu erwecken, können sie das neue geistige Bewusstsein noch nicht wirklich verstehen, und sie werden auch nicht in der Lage sein, sich gegenseitig zu verstehen.

Wenn wir uns in der Haltung des geistigen Idealismus versammeln, um über geistige Ideen zu sprechen und sie zu erleben, wenn wir diese Ideen mit unserem Gefühl, mit Begeisterung und Willensimpulsen durchdringen, "dann können wir aneinander erwachen", sagte Rudolf Steiner. Es kann sein, dass ein Mensch etwas über ein Thema sagt, das auch uns beschäftigt. Wir hören etwas Neues. Ein anderer beleuchtet das Thema auf eine ganz neue Weise. Wir entdecken, was schon lange in uns schlummert, aber noch nicht ausgedrückt werden konnte, bis ein anderer darüber zu sprechen beginnt, oder wir werden durch sein Sprechen zu Taten inspiriert, in denen wir mit anderen neues Karma schaffen können.

Die soziale Welt ist die moderne Mysterienstätte geworden. Wir sind immer von geistigen Wesen umgeben, und das können wir wahrnehmen. Ihre Qualität wird von uns bestimmt. Menschen und Gruppen mit negativen Gedanken, Gefühlen und Handlungen ziehen negative Geistwesen an und nähren sie mit ihrer Negativität. Im Gegensatz dazu sind Menschen mit einer positiven Ausstrahlung und Gruppen, die in einem positiven Geist zusammenarbeiten, von freundlichen Geistwesen umgeben, die man zur Unterstützung und Inspiration einladen kann.

Aus diesem Grund ist es für alle spirituellen Gruppen so wichtig, ein bewusstes Sozialleben zu pflegen. Sonst werden sie Opfer ihrer Gruppendoppelgänger. Unter den gegenwärtigen Bedingungen unseres Bewusstseins ist das ziemlich normal, aber wir müssen wissen, wie wir den ätherischen und astralen Raum, der durch Gruppendoppelgänger verunreinigt wurde, reinigen und heilen können, und wie wir die Konflikte, die zwischen den Menschen entstehen, auflösen können.

Rudolf Steiner hat es den Gruppen kooperierender Menschen überlassen, die Wege des Forschens und Erkennens, die sich in den neuen Mysterien auftun, weiter zu erhellen. Dies ist ohne die direkte Hilfe eines Eingeweihten schwierig, wie viele Konflikte gezeigt haben. Dennoch gibt es Gruppen, die es schaffen, traditionelle Meinungen zu durchbrechen und durch kreative Prozesse neue Erkenntnisse zu entwickeln. Zum Beispiel eine Gruppe von Lehrern, die versuchen, die Symptome der Zeit zu verstehen und den Lehrplan so zu ändern, dass der Unterricht mehr auf die Entwicklung der Kinder ausgerichtet ist. Oder wenn eine Gruppe von Ärzten und Therapeuten, die versuchen, einen Aspekt einer Krankheit zu verstehen, ein neues Medikament oder eine neue Therapie entwickelt; wenn Landwirte Probleme in der Landwirtschaft lösen oder Psychologen und Heilpädagogen diskutieren, wie sie einem Kind mit besonderen psychischen Problemen helfen können; und wenn Mitglieder eines Forschungsinstituts gemeinsam forschen. Sie alle können die Hilfe von geistigen Wesen erfahren.

Dieses Erleben der neuen Mysterien kann in kurzen inspirierten Momenten geschehen, die Antworten auf praktische Fragen geben, wie es auch in einer Kinder- oder Patientenbesprechung möglich ist. Wenn Lehrer oder Therapeuten ihre Wahrnehmungen miteinander teilen, kann dies manchmal zu echten Erkenntnissen führen, die sie gemeinsam schaffen. Auch zwei Personen, die ein gemeinsames Problem besprechen, können dies erleben, zum Beispiel ein Ehepaar, das über die Lösung eines Erziehungsproblems spricht. Auf diese Weise kann eine solche Gruppe zu einem temporären Mysterienstätte werden, in dem geistige Wesen ihre Inspirationen geben.

Gemeinschaftsbildung

Was wir in einer Kleingruppe zu erreichen lernen, können wir auch in einer Gemeinschaft anwenden. Rudolf Steiner hat im Laufe seines Wirkens einen spezifischen Sozialimpuls entwickelt, der weitgehend unbeachtet geblieben ist. Dieser Impuls führt zu einem Prozess der Gemeinschaftsbildung, den wir als einen Lernprozess mit sieben Schritten sehen können, die nicht unbedingt eine feste Reihenfolge haben. Wir können uns diesen Prozess am Beispiel der Familie vorstellen. Die Schritte in ihrer Entwicklung scheinen einfach zu sein, aber in der Praxis sind sie schwierig. Es ist uns erlaubt, Fehler zu machen, denn wir sind noch nicht perfekt. Mit unseren guten Absichten sollte es möglich sein, Konflikte zu lösen und dadurch den sozial-ätherischen Raum zu reinigen und die problematischen Aspekte unseres Doppelgängers allmählich zu transformieren. Die Etappen dieses kleinen Lernprozesses können uns Inspiration für die Schaffung größerer Gemeinschaften geben. Nach dem sozialen Impuls, den Rudolf Steiner entwickelt hat sind diese Stufen wie folgt:

  1. Die Gemeinschaftsbildung beginnt mit der Schaffung eines Bildes der neuen Gemeinschaft. Rudolf Steiner fand dieses Bild 1891 in dem Märchen von der grünen Schlange und der schönen Lilie von Goethe. Eine Schlange lebt in einem unterirdischen Tempel und opfert sich, um eine Brücke zwischen zwei Welten zu schaffen, und als Ergebnis erhebt ein Tempel aus der Erde.
  2. Eine Gemeinschaft kann eine Entwicklungsgemeinschaft werden. Sie soll der Entwicklung der Individuen dienen, die die Gemeinschaft bilden, wie Steiner 1898 im Soziologischen Grundgesetz formulierte. In einer solchen Gemeinschaft können sich die Menschen gegenseitig in ihrer Entwicklung unterstützen.
  3. Eine Gemeinschaft kann zu einer Arbeitsgemeinschaft werden, in der das Wohl des Ganzen vom Grad der Trennung von Arbeit und Einkommen abhängt, wie Steiner 1905 im Sozialen Hauptgesetz formulierte. Alle praktischen Angelegenheiten der Gemeinschaft, einschließlich der Geldfragen, sollten sorgfältig berücksichtigt werden.
  4. Eine Gemeinschaft kann zu einem Ort der Begegnung werden, an dem die Menschen versuchen, das Soziale Urphänomen der Kommunikation bewusst anzuwenden, in der schwingenden Bewegung des Zuhörens und Redens. In der realen Kommunikation können sich die Menschen gegenseitig wecken und den Sinn der Liebe für ein neues soziales Leben entdecken, wie Steiner es 1912 beschrieben hat.
  5. Eine Gemeinschaft kann zu einer Rechtsgemeinschaft werden. Sie braucht für eine gesunde Struktur das Prinzip der Sozialen Dreigliederung, wie es Steiner in seinem Buch Die Kernpunkte der sozialen Frage (1919) dargestellt hat.[5]
  6. Eine Gemeinschaft kann zu einer karmischen Gemeinschaft werden, in der die Menschen lernen, mit den Unvollkommenheiten der anderen zu leben und fruchtbar zusammenzuarbeiten. Eine solche Gemeinschaft entsteht, wenn Menschen sich verpflichten, gemeinsam an bestimmten Aufgaben zu arbeiten.
  7. Eine Gemeinschaft kann ein sozial-ätherischer Tempel werden, eine Mysterienstätte, in dem die Kommunikation mit der geistigen Welt möglich ist. In dieser Gemeinschaft können die Menschen eine neue Kultur der Liebe und Brüderlichkeit schaffen.

Menschen, die in Gemeinschaften zusammenarbeiten, sind in der Lage, sich mit helfenden geistigen Wesen zu verbinden, auch während kurzer Momente. Das können Schulen, therapeutische Zentren, wissenschaftliche Institute, Bildungszentren oder Gemeinschaften von Menschen sein, die zusammen leben. Zu diesen Gemeinschaften gehören nicht nur die Menschen, die direkt involviert sind, sondern auch die größere soziale Umwelt, der sie dienen wollen, wie z.B. Klienten von therapeutischen Zentren, Eltern von Kindern, Konsumenten und andere interessierte Personen. Diese größere Gemeinschaft, die für spirituelle Impulse offen ist, muss nicht aus lauter spirituellen Menschen bestehen.

Kulturoasen

Aus diesen Gemeinschaften kann eine Kulturoase entstehen, wenn wir versuchen, mit Hilfe der geistigen Welt etwas Wichtiges in die Welt zu bringen. Zwei Menschen können bereits eine Kulturoase bilden und zusammenarbeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, indem sie die Verbindung zur geistigen Welt pflegen. Jede Gruppe kann eine Kulturoase bilden, in der spirituell gesinnte Menschen zusammenarbeiten. Entscheidend ist, dass die Mitglieder der Gruppe bereit sind, sich gemeinsam zu entwickeln. Diese Kulturoasen (z.B. Schulgemeinschaften, therapeutische Zentren und Bauernhöfe) werden in zunehmendem Maße Menschen helfen, die im gegenwärtigen Chaos und in der Not der Seele Unterstützung suchen, die neue Wege der Entwicklung finden wollen. Kulturoasen sind Leuchttürme für Menschen auf der Suche nach neuer Spiritualität in einer untergehenden Kultur, aber auch für die geistige Welt selbst, die Gemeinschaften sucht, in denen sie wirken kann.


[1] Harrie Salman, Die soziale Welt als Mysterienstätte - Die soziale Vision der Anthroposophie, Edition Widar, Hamburg 2020.

[2] Rudolf Steiner, Vergangenheits- und Zukunftsimpulse im sozialen Geschehen (1919, GA 190).

[3] Rudolf Steiner: Die Theosophie des Rosenkreuzers (1907, GA 99).

[4] Rudolf Steiner: Das esoterische Christentum (1911-1912, GA 130).

[5] Rudolf Steiner, Die Kernpunkte der sozialen Frage (1919, GA 23).

 

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